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Unterricht ist ein Teil der Einwirkungs- und Arbeitsmöglichkeiten, welche die Schule hat. Keineswegs jedoch ist Unterricht deren zentrales Arbeitsfeld. Vieles von dem, was dem Kind und Jugendlichen zu seinem Erwachsenwerden gemäß und nützlich ist, sprengt in natürlicher Weise den Unterrichtsrahmen. All die Möglichkeiten, über welche allein die Schule verfügt, um einerseits Erziehung ausüben und andererseits Bildung legen zu können, gehen weit über die “reine Unterrichterei“ hinaus. Das originäre Arbeitsfeld der Schule ist ein Offenes, dies um Einwirkung zu geben bzw. überhaupt einen Einfluss auf das Kind und den jungen Menschen haben zu können. Und der viel gescholtene Bildungsbegriff, mit welchem wir ebenso selbstverständlich bis philiströs umgehen, er ist geradezu hoffnungslos veraltet. Doch bitteschön, was ist Bildung?
Was beispielsweise muss der Abiturient wissen? Klar, dieser Abschluss gilt nicht für alle. Kann und soll er auch nicht. Wohl aber sollte der derzeit höchste deutsche Schulabschluss – verstanden als Nachweis der uneingeschränkten Studierbefähigung und allgemeinen Hochschulreife – sozusagen “als Start ins Leben“ seine ihm hoch zugeteilte Geltung auch auf den Prüfstand stellen können: Es geht um ein recht umfängliches Reifezeugnis also. Ist es das? Im Sinne von “Reife“ müsste dann davon ausgegangen werden, das zuvor vermittelt bekommen zu haben, was der junge Mensch zum Leben braucht. Und, was denn braucht er? Dass er sich im Leben behaupten kann. Wenn dem so ist, sollten wir ihm das auch beibringen. Wie er dies auf “seinem Wege“ im Einzelnen macht und seine Befähigung fürs Leben im Sinne von “Reife“ erwirbt, ist letztendlich seine Sache. Es gibt nicht immer nur den einen Weg. Und nicht jedes Kind, jeder Mensch ist gleich. Nicht jede Entwicklungsstufen und -phasen verlaufen synchron. Die Einengung von Schule auf eine reine “Ausbildungsstätte mit sog. guten, richtliniengemäßen Unterricht“, welche tagtäglich irgendwelche Standards einer mehr oder weniger eindimensionalen Wissensgesellschaft “dozieren“ oder sich selbst via Suchmaschinen beibringen lässt, die allesamt am Ende maßgeblich auf die “Ökonomie des Lebens“ und eine alerte Marktteilnahme des Einzelnen hinauslaufen, ist allerdings grundfalsch und wohl kaum bildend. Eine solche Schule ist nicht mehr zeitgemäß bzw. ein Atavismus par excellence. Anders hingegen wäre es, wenn die pädagogischen Möglichkeiten konsequent genutzt und in der Schule entsprechend in den Vordergrund gestellt werden würden.
Wie denn soll Schule heute aussehen? Schule hat letztendlich dem jungen Menschen dabei zu helfen, zu “seiner“ Werte- und eigenen Persönlichkeitsbildung zu kommen. Werde der du bist. Alles, was die Schule dafür als nötig erachtet, muss sie an den jungen Menschen heranbringen. Damit wären wir sogleich mitten bei der Frage nach den Lehrplänen oder Richtlinien. Doch was sind diese eigentlich genau? Auf jeden Fall nicht etwas, was von irgendeiner Stelle fest verordnet ist, welche glaubt, sie hätte genau die Funktion, dass sie dies so machen darf. Es ist im Grundsatz vielmehr das, was fürs Kind notwendig ist. Um jedoch darüber und letztendlich “dem Kinde gemäß“ entscheiden zu können, müssen wir dem Kind zunächst einmal zuhören und genau hinhören. Dafür müssen wir sozusagen das “Ohr an der Wand“ und das Kind in seinem für ihn bestmöglichen Sinne “an der langen Leine“ halten. Zweifelsohne lang und im Laufe der Zeit mehr und mehr länger werdend, aber “an der Leine“. Wir müssen dem Kinde etwas zutrauen und darauf vertrauen, dass “es kann“. Vielleicht braucht es Hilfe, braucht es Halt. Dann geben wir ihm diese. Und dann, zu dem gegebenen Zeitpunkt der “Reife“, lassen wir diese unsichtbare “Leine“ los. Kann die Schule das alleine leisten? Um die Antwort vorweg zu nehmen: Nein, sie kann es nicht.
Jede Generation hat ihr Eigenleben. Ebenso jeder Mensch. Dem folgt das Primat der Erziehung. Der “Lehrkörper“ und “Schulkörper“ – beides Begriffe aus dem Schuldeutsch – haben sich entgegen all ihrer pädagogischen Möglichkeiten systematisch unter Selbsterzwingung gesetzt und am Ende darüber selbst begrenzt. Der engagierte Lehrer, welcher seinen Beruf liebt, leidet unter diesem Diktat begrenzter Möglichkeiten, wo er auf der einen Seite den Lehrplan erfüllen und auf der anderen Seite den Menschen bzw. die Kinder um sich hat, welche im Schulalltag zumeist weit davon entfernt sind, diesen “Plan“ zu verwirklichen. Ein Leugnen dieser Diskrepanz ist zwar verständlich, aber unwahr. In einer Zeit, wo die natürlichen Erziehungskräfte, gemeint sind die Eltern, eher kapitulieren oder ausfallen, aus welchen Gründen auch immer, stellt sich die Frage: Wer soll es denn machen? Wer bringt den Mut auf zur Erziehung? Elterliche Erziehung. Sie ist natürlicher als jede andere, auch als die professionelle Erziehung. Die Eltern: Sind sie es folglich? Die Antwort ist: Jein.
Allerdings, keine elterliche Erziehung auszuüben, weil sie dem Staat überlassen ist, ist unnatürlich und daher falsch. Wenn dem so ist, gibt es zwei Thesen:
Erstens : Mutter und Vater, also die Eltern, sind die natürlichen Erzieher des Kindes und bleiben lebenslang die natürlichen Erzieher ihres Kindes. Sie sind nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch für das Kind verantwortlich.
Und zweitens : Da Mutter und Vater aus fachlichen und zeitlichen Gründen staatliche Erziehungsinstitutionen benötigen, müssen sie in Zusammenarbeit mit diesen ihre Erziehung wahrnehmen. Auch für den delegierten Bereich haben sie die letzte Entscheidungsbefugnis und müssen dort auch insistieren können.
Was Kinder keinesfalls brauchen, sind als natürliche Erziehungsinstanz zermürbte Eltern. Sie brauchen in unserer nach Werten suchenden Zeit und beim Schwinden klarer Rollen und Sinne insbesondere Eltern, die elterliche Liebe, deren Geduld und Mut. Unabhängig von der persönlichen Lebensplanung der Eltern gilt: Dies ist eine starke Aufgabe, die zu schaffen ist! …
Buchhinweis: Gustav Hoffmann und Peter-Alexander Möller, MUT ZUR ERZIEHUNG – Starke Kinder brauchen starke Eltern. Ratgeber-Essay. 156 Seiten. ISBN 978-3-735-78756-9.
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